Deutschland braucht die nukleare Teilhabe

04.02.2020

Auch heute sind Nuklearwaffen Teil des Bedrohungspotenzials, dass sich gegen Deutschland und seine Partner richtet. So richtet sich die russische Aufrüstung mit nuklearen Mittelstreckenwaffen gegen ganz Europa. Deswegen braucht Deutschland – wie auch seine Partner in EU und NATO – auch weiterhin einen nuklearen Schutzschirm. In der NATO bieten uns die USA diesen Schutz mit ihren Atomwaffen. Zu dieser nuklearen Abschreckung leistet Deutschland einen Beitrag durch die nukleare Teilhabe, indem es sich mit eigenen Fähigkeiten und Mitteln daran beteiligt. Damit tragen wir mit Verantwortung für die nukleare Abschreckung der gesamten NATO und zugleich erhalten wir Einblick und Mitsprache in den diesbezüglichen Planungen und Absprachen.

Wer eine Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO fordert, muss auch den Nuklearpfeiler stärken. Denn auch in Nuklearfragen gilt: Wir wollen transatlantisch bleiben – und europäischer werden. Frankreich und Deutschland haben im Aachener Vertrag vom Januar 2019 die Zusicherung festgeschrieben, dass sie sich im Falle eines Angriffs auf ihre Hoheitsgebiete „einander jede in ihrer Macht stehende Unterstützung“ versprechen. Diese Zusicherung erhält nur dann ihre vollständige Bedeutung, wenn darin auch die Frage der französischen Nuklearwaffen als Element einer europäischen Abschreckung eingeschlossen ist. Diese Frage einer europäischen Abschreckung sollte in einem Dialog interessierter europäischer Staaten diskutiert werden, der auch Großbritannien einbeziehen sollte.

In der Konsequenz bedeutet das auf der einen Seite, dass Frankreich seine Nuklearwaffen - in Ergänzung zum bestehenden nuklearen NATO-Schutzschirm der Amerikaner – entweder in ein europäisches System oder aber in die Nuklearstrategie der NATO integriert.

Auf der anderen Seite darf zu einem solchen europäischen Pfeiler des transatlantischen nuklearen Schutzschirms ein deutscher Beitrag nicht verweigert werden. Dies kann in einer Fortführung unserer bereits bestehenden nuklearen Teilhabe geschehen, die dann auch die französischen Nuklearwaffen umfasst.

Wir müssen also eine Zusammenarbeit mit Frankreich bei den Nuklearwaffen ins Auge fassen. So wie im Rahmen der nuklearen Teilhabe an den US-Nuklearwaffen innerhalb der NATO liegt es im deutschen Interesse zu wissen, was die Franzosen mit ihren Nuklearwaffen vorhaben, und auf die französische nukleare Strategie Einfluss zu nehmen. Dafür sollte Deutschland bereit sein, sich mit eigenen Fähigkeiten, d.h. materiellen und logistischen Mitteln an dieser nuklearen Abschreckung zu beteiligen.

 

Fragen und Antworten:

Wenn Frankreich dazu bereit sein sollte, was passiert dann mit dem amerikanischen Schutz?

Deutschland sollte sich auf gar keinen Fall vom amerikanischen Schutz abwenden! Es geht mit den französischen Nuklearwaffen vielmehr um eine europäische Ergänzung zum bestehenden NATO-Schutzschirm der USA.

Falls Frankreich seine atomare Abschreckung nicht unter Kontrolle der EU oder der NATO stellen möchte: Braucht Deutschland eigene Atomwaffen?

Nein! Es bleibt bei der deutschen Selbstverpflichtung, keine eigenen Atomwaffen zu entwickeln, zu beschaffen und zu besitzen. Trotzdem wäre es wünschenswert, wenn Frankreich seine Abschreckung in die europäische Verteidigungsunion oder die NATO einbringen würde.

Aber warum gibt es dann so heftige Reaktionen auf Ihre Vorschläge und Überlegungen?

Ich beobachte, dass die politische Linke in Deutschland auf diese Debatte über die nukleare Abschreckung mit Unterstellungen und Ausflüchten reagiert. Ausflüchte sorgen aber nicht für mehr Sicherheit. Fakt ist, dass Deutschland schon sehr lange eine nukleare Teilhabe an den US-Nuklearwaffen innerhalb der NATO hat und dazu mit Fähigkeiten und Mitteln beiträgt und dass diese nukleare Teilhabe auch fortgesetzt wird. Es ist im deutschen Interesse, dass wir auf die nukleare Strategie der NATO Einfluss nehmen können, die uns schützt. Es wäre klug, das auch mit Frankreich zu versuchen, also zu wissen, was die Franzosen mit ihren Nuklearwaffen vorhaben, und auf die französische nukleare Strategie Einfluss zu nehmen. Die Realität ist doch, dass wir eine atomare Abschreckung benötigen.

Woher kommt Ihre Hoffnung, dass Paris dazu bereit sein könnte?

Weil nationales Denken in dieser Welt die EU auf Dauer nicht sicherer machen wird. Präsident Emmanuel Macron hat uns mehrfach aufgefordert, mehr Europa zu wagen. Er könnte nun zeigen, dass auch er dazu bereit ist. Ich mache mir keine Illusionen. Das wird seine Zeit brauchen. Aber die Debatte muss jetzt beginnen.