In einem Gespräch mit weißrussischen Studenten in der litauischen Botschaft am 8. September 2015 sprach sich Johann Wadephul für einen Beitritt Weißrusslands in den Europarat aus.
Vor dem Hintergrund der Präsidentschaftswahlen in Belarus entstand mit dem litauischen Botschafter, Deividas Matulionis, einer weißrussischen Studentengruppe der Europäischen Humanitären Universität (EHU) aus Vilnius und mit Dr. Wolfgang Sender, dem Leiter des Auslandsbüro Belarus der Konrad-Adenauer-Stiftung eine angeregte Diskussion über die Zukunftsaussichten Weißrusslands.
Die Europäische Humanitäre Universität wurde 1992 in Minsk, Weißrussland als Privatuniversität gegründet und im Jahr 2004 aus politischen Gründen von dem dortigen Regime geschlossen. Als Konsequenz ist sie im Juni 2005 nach Litauen umgezogen und wird dort als Exil-Universität weitergeführt. Die Studenten der Universität verfolgen mit Spannung die aktuellen Entwicklungen im eigenen Heimatland und sehnen sich nach einem neuen politischen Kurs in Weißrussland.
Zwar deutet alles daraufhin, dass der autoritäre Präsident Alexander Lukaschenko auch in der kommenden Legislaturperiode Machthaber des Landes bleiben wird, dennoch zeigen sich erste Veränderungen in seinem Regierungsstil. Es bleibt abzuwarten, ob die Veränderungen Teil eines strategischen Schachzuges sind, um europäische Sanktionen zu umgehen, oder ob es sich um einen realen Wandel seiner Politik handelt. Erst kürzlich hat Lukaschenko sechs politische Gefangene auf den Druck der Europäischen Union freigelassen. Die Studenten werten diese Geste als positives Zeichen und fragten Johann Wadephul aus gegebenem Anlass, ob eine Annäherung Weißrusslands zu Europa nun wahrscheinlich wird. Johann Wadephul bewertete das politische Vorgehen des weißrussischen Nachbarn als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Er betonte aber auch, dass es sich vorerst nur um eine kleine Geste handle. Weißrussland gehöre seiner Ansicht nach ganz klar zu Europa. Eine Integration zur Europäischen Union sei aber vorerst nicht abzusehen. Weißrussland fehle es an demokratischen Reformen. Ein wichtiger Schritt sei die Aufnahme Weißrusslands in den Europarat. Europas führende Organisation für Menschenrechte hat insgesamt 47 Mitglieder, darunter befinden sich unter anderem die Länder Russland, Aserbaidschan, Armenien und die Ukraine. Bisher spielt Weißrussland in puncto Menschenrechte dementsprechend eine Außenseiterrolle.
Das Land stecke, so wie viele junge Studenten angemerkt haben, in einer Identitätskrise. Die Bevölkerung könne zum großen Teil nicht die eigene Landessprache sprechen, sondern beherrsche nur Russisch. Die Kinder wüssten nicht welche Farben die weißrussische Flagge besitzt. Dr. Wolfgang Sender hob in diesem Zusammenhang hervor, dass eine starke politische, kulturelle und wirtschaftliche Verbindung zu Russland bestehe, die in nächster Zeit nicht nachlassen werde. Weißrussland misstraue zwar vermehrt seinem engsten Verbündeten im Zuge des Ukraine-Konflikts, es sei aber weiterhin von Russland abhängig. Johann Wadephul fügte dem hinzu, dass jede Nation ihre eigene Identität finden müsse und kein anderer Staat ihr bei diesem Prozess helfen könne beziehungsweise sollte. Es sei gut sich mit dem Heimatland zu identifizieren; der Nationalismus als Strömung sei hingegen schädlich und Zeichen eines schwachen Staates. Mit Blick auf die Zukunft wünscht sich Johann Wadephul, dass Weißrussland einen gesunden Mittelweg finden wird.
Karolin Wolf
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